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1) Wir können bei Gott auch nach dem Empfang von Gnade keine Ansprüche auf weitere Gnade anmelden.
3,1)Was haben dann die Juden gegenüber den anderen Menschen noch für einen Vorteil? Und was ist der Nutzen der Beschneidung? 2)Nun, die Juden sind den anderen Menschen gegenüber in vielerlei Hinsicht im Vorteil. Vor allem ist es das eine, dass Gott ihnen sein Wort mit all seinen Zusagen anvertraut hat.
- „was dann“ => Paulus hat im Röm. 2,28-29 herausgestellt, dass ein wahrer Jude innerlich beschnitten ist. Demnach kann sowohl ein Jude als auch ein Nichtjude als wahrer Jude gelten, wenn er innerlich beschnitten ist. Menschen, die Gott innerlich auf sich ausgerichtet hat, die gehören wirklich zu seinem Volk. Paulus weiß, dass sich von diesem Grundsatz her die Fragen ergeben, die er selbst in 3,1 stellt. Die Antwort lautet nicht: „Die Juden haben keinen Vorteil mehr!“ oder „Die Beschneidung nützt nichts!“. Sondern er hält daran fest, dass Juden gegenüber Nichtjuden in vielerlei Hinsicht einen Vorteil haben. Diesen Vorteil hat er auch in Kapitel 2 nie geleugnet. Er hat lediglich klar gemacht, dass dieser Vorteil nicht darin besteht, dass Juden im Gericht Gottes gegenüber Nichtjuden bevorzugt werden. Sie werden beide danach beurteilt, was sie getan haben. Den Vorteil der Juden, den er als erstes nennt und den er am größten gewichtet, ist der, dass Gott ihnen im Alten Testament sein Wort anvertraut hat. Paulus spricht wörtlich von den „Aussprüchen“ Gottes. Er meint damit das Alte Testament vor allem mit den darin enthaltenen Zusagen für Gottes Volk. Keinem anderen Volk hatte Gott zu Zeiten des Alten Testaments sein Wort anvertraut als den Juden, den leiblichen Nachkommen von Abraham, Isaak und Jakob.
3)Es stimmt zwar, dass einige von ihnen Gott nicht vertraut haben. Aber kann ihr Unglaube Gottes Treue aufheben? 4)Auf keinen Fall! Was vielmehr klar werden soll, ist dies: Gott ist zuverlässig in seinem Wort, jeder Mensch hingegen treulos und lügnerisch. So steht es geschrieben: „Es soll deutlich werden, dass du, Gott, gerecht bist in dem, was du sagst. Du sollst Recht behalten, wenn dich jemand zur Rechenschaft ziehen will.“
- „Gottes Treue aufheben – auf keinen Fall“ => Die Geschichte des Volkes Israel hat gezeigt, dass einige Israeliten, und damit meint Paulus nicht wenige, dem Wort Gottes nicht geglaubt haben. Auch wenn Israel Gott untreu ist, bleibt er seinen Zusagen gegenüber treu, er erfüllt sie gewiss, und zwar an leiblichen Nachkommen Abrahams. Gott hat ihnen Gnade zugesagt, diese Zusage löst er ein.
- „was vielmehr klarwerden soll“ => Nur beinhaltet die Treue Gottes gegenüber sich selbst auch die Erfüllung seiner Gerichtswarnungen. Zunächst macht Paulus den Hinweis, dass Gott allein wahrhaftig ist und alle Menschen Lügner, Treulose. Gegenüber solchen Menschen hat Gott die Freiheit, seine Zusagen und seine Warnungen so zu erfüllen, wie er es für richtig hält. Weil alle Menschen Sünder sind, einschließlich der Juden, ist Gott frei, seine Gnade und sein Gericht so zur Geltung kommen zu lassen, wie er will. Wenn er Sündern mit Gericht begegnet und nicht mit Gnade, dann kann niemand Gott einen Vorwurf machen. Um dies deutlich zu machen, zitiert Paulus aus Ps.51. Da bekennt David, der König Israels, sich schuldig vor Gott. Er hat Ehebruch begangen, und um dies zu vertuschen, gab er einen Mord am Ehemann der Frau in Auftrag. David bekennt sich schuldig und hofft dabei, dass Gott ihm die Schuld vergibt. Aber vor allem möchte David herausstellen, dass Gott ihm gegenüber im Recht ist. David bekennt, dass Gott das Recht hat, ihn, David, wegen seiner Sünde zu bestrafen. Paulus verfolgt dasselbe Anliegen wie David. Die Juden können Gott nicht dazu verpflichten, dass er sie vor seinem Gericht verschont. Wenn sie Böses tun, können sie Gott nicht dazu verpflichten, dass er ihnen Gnade erweist. Vielmehr sollen sie anerkennen, dass Gott gerecht ist, wenn er sie für das Böse, welches sie tun, bestraft.
- Anwendung: Wenn jemand an Jesus Christus glaubt, ist darin immer die Anerkenntnis enthalten, dass man die Rettung nicht verdient hat. Wer an Jesus glaubt, bekennt, dass er ohne ihn nichts anderes verdient hätte, als für seine Schuld ewig verdammt zu werden. Wenn jemand an Jesus glaubt, weiß er genau darum, was Gott in Jesus für ihn getan hat. Er hat an ihm meine Sünde bestraft. Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz die Strafe für meine Schuld auf sich genommen.
5)Unsere Ungerechtigkeit trägt also dazu bei, dass Gott seine Gerechtigkeit unter Beweis stellen kann. Sollen wir daraus den Schluss ziehen, dass Gott ungerecht ist, wenn er uns in seinem Zorn straft? Ich rede einmal vom menschlichen Standpunkt aus. 6)Nein, es kann nicht sein, dass Gott ungerecht ist! Wie könnte Gott sonst die Welt angemessen richten?
- „ist Gott ungerecht?“ => Paulus greift hier einen Einwand einiger Juden seiner Zeit auf, den diese an ihn gerichtet haben. Er lautete etwa so: „Es ist nicht gerecht, dass Gott uns, denen er Zusagen gegeben hat, im Gericht bestraft und auf diese Weise seine Gerechtigkeit erweist.“
- „nein, es kann nicht sein“ => Gott erweist sich in dem Gericht über die Sünden der Juden, denen er Zusagen gegeben hat, nicht als ungerecht sondern als gerecht. Sein Gericht erweist ihn nicht treulos gegenüber seinen Zusagen. Gott ist als Richter über die Sünde gerecht, sonst, so Paulus, könnte, sonst dürfte Gott nicht als Richter der Welt auftreten. Weil Gott der Richter aller Menschen ist, müssen wir als Menschen annehmen, dass er gerecht ist. Man könnte hier als Mensch einwenden, dass die Begründung doch genau umgekehrt laufen müsste: Weil Gott gerecht ist, deshalb kann er der Richter aller Menschen sein. Paulus aber begründet nicht, dass Gott gerecht ist, sondern er setzt es voraus. Es gibt hier für den Menschen eine Grenze, über die hinaus er nicht nach der Gerechtigkeit Gottes fragen kann. Es gibt keine Gerechtigkeit, die außerhalb von Gott besteht. Es gibt keinen Gerechtigkeitsmaßstab, dem sich Gott unterwerfen müsste. Die Bibel setzt einfach voraus, dass Gott in sich selbst gerecht ist. Sie setzt voraus, dass Gott selbst der Maßstab für alles ist, was sich Gerechtigkeit nennen darf. Dies gehört zum Gottsein Gottes, dass er selbst seit Ewigkeit gerecht ist, ohne dass er sich einer Gerechtigkeitsordnung unterwerfen müsste. Alles, was Gerechtigkeit ist, leitet sich von dem ewigen Gott her, der in sich selbst unveränderlich gerecht und vollkommen ist.
Gott will, dass wir nur ihn als Gott anerkennen und anbeten. Denn in Gottes Augen ist er selbst das höchste Gut. Gott ist herrlich und vollkommen und gut. Dass Gott gerecht ist, besagt also vor allen Dingen eines: Er wertschätzt seine göttliche Heiligkeit und Herrlichkeit über alles. Es ist Ausdruck seiner Gerechtigkeit, wenn er gegenüber dem Menschen für seine göttliche Herrlichkeit eintritt. Er fordert die Menschen im ersten Gebot auf, seine einzigartige göttliche Herrlichkeit, die nur ihm als dem wahren Gott eigen ist, anzuerkennen. Würde Gott dieses Herzstück seiner Gerechtigkeit preisgeben, würde er es damit aufgeben, Gott zu sein. Gott aber ist ein Gott der Gerechtigkeit und Wahrheit. Er stellt das, was am Herrlichsten und Höchsten ist, in den Mittelpunkt und fordert uns auf, es zu bewundern und anzubeten. Und das ist er selbst.
7)Du magst einwenden: „Wenn durch meine Untreue die Zuverlässigkeit und Treue Gottes umso deutlicher herausgestellt wird und in der Folge auch sein Ruhm vermehrt wird, dann darf er mich doch nicht noch als Sünder verurteilen!“ 8)Und überhaupt, warum nicht noch einen Schritt weiter gehen und sagen: „Tun wir doch mit Vorsatz Böses, damit umso mehr Gutes dabei herauskommt!“? Einige, die schlecht über uns reden, behaupten ja sogar, das sei es, was wir lehren. Diejenigen, die uns so etwas unterstellen, werden ihrer verdienten Bestrafung im Gericht Gottes nicht entgehen.
- „du magst einwenden“ => Paulus gibt hier den Einwand seiner Landsleute wieder, die meinen, dass sie einen Anspruch auf Gottes Gnade haben. Sie argumentieren in etwa so: „Gott hat doch durch die Geschichte mit seinem Volk Israel hindurch große Geduld an den Tag gelegt. Er hat ihnen die Sünden immer wieder vergeben, weil er ihrem Vorfahren Abraham Zusagen gemacht hatte. Durch die Sünde des Volkes konnte Gott unter Beweis stellen, dass er zu seinen Zusagen steht. An der Sünde seines Volkes konnte sich seine Treue und Gnade umso deutlicher abheben. Gott verherrlichte sich durch die Treue, die er gegenüber einem Volk von Sündern aufrechterhielt. Wenn Gott sich auf diese Weise schon verherrlichen konnte, warum verzichtet er nicht darauf, uns für unsere Sünden auch noch zu bestrafen? Das ist doch ungerecht, dass er unsere Sünden, die zu seiner Verherrlichung beitrugen, auch noch bestraft!“
- „und überhaupt“ => Er sagt es etwa so: „Also wenn meine Sünde Gott verherrlicht, da sie ihm Gelegenheit bietet, mich zu begnadigen, dann könnte ich ja sogar sagen: Ich sündige vorsätzlich und so viel wie möglich, damit Gott mir viel Gnade erweisen kann und seine Herrlichkeit auf größtmögliche Weise zum Ausdruck kommt.“ Paulus sagt nicht, dass dies offen von seinen jüdischen Volksgenossen gepredigt wird. Aber er sagt ihnen, dass ihr Anspruch logischerweise in diese Richtung geht. Es ist der Anspruch, aufgrund von Zusagen, die Gott den Israeliten gemacht hat, sicher vor Gottes Zorn zu sein, nur weil man äußerlich ein Jude ist. Gott könnte darauf verzichten, einem Juden, der ihm untreu geworden ist, zu bestrafen. Er könnte ihm Gnade erweisen. Aber einen Anspruch darauf hat der Jude, der sündigt, nicht. Kein Mensch kann von Gott einfordern, dass er sich für irgendetwas vor ihm rechtfertigt. Man kann dies auf den Anspruch der Menschen allgemein erweitern, den Anspruch, den sie gegenüber Gott erheben. Sie sehen Gott in der Verpflichtung, Gnade zu erweisen. Sie halten Gott vor, er sei ungerecht, wenn er Menschen seine Gnade vorenthalte. Die Gnade, die im Evangelium verkündet wird, kann niemandem, der sie richtig versteht, als Freibrief zur Sünde dienen. Denn wer sie im Glauben an Christus empfängt, erkennt an, dass Gott gerecht ist, wenn er Sünder bestraft. Er gibt Gott Recht in seinem Urteil über den Sünder, dass er zu keiner Gnade verpflichtet ist, sondern dem vergibt, der an Christus glaubt.
- „das sei es, was wir lehren“ => Paulus lässt hier durchblicken, dass ihm von jüdischen Schriftgelehrten dieser Grundsatz unterstellt worden ist, wonach die Gnade Gottes als Freibrief zur Sünde missbraucht würde. Paulus würde ein Evangelium predigen, in dem es darum ginge: „Sündige drauf los, umso mehr verherrlichst du Gottes Gnade!“ Für Paulus ist diese Unterstellung eine Gotteslästerung. Er kündigt ihnen, die so reden, an, dass sie der gerechten Bestrafung im Gericht Gottes nicht entgehen. Hier lässt Paulus etwas von dem Kampf durchblicken, den er gegen seine jüdischen Volksgenossen ausgefochten hat. In dem Streit ging es zentral um die Frage: Welche Religion verherrlicht Gott? Die jüdische oder die christliche? Welche der beiden Seiten stellt Gottes Gerechtigkeit so dar, dass sowohl seine Heiligkeit als auch seine Liebe größtmöglichen und herrlichen Ausdruck finden? Paulus legt im Römerbrief dar, dass es das Evangelium ist, in dem Gottes Gerechtigkeit als Verherrlichung Gottes verkündet wird. Denn im Evangelium kommen Gottes Gnade und seine Gerechtigkeit auf unübertreffliche Weise zusammen.
Anwendung: Das jüdische Volk kann gegenüber Gott keinen Anspruch auf Gnade anmelden, nur weil er ihm in der Vergangenheit besondere Gnade erwiesen hat. Gottes Treue, die er in seinen Zusagen bezeugt, ist vor allem eine Treue zu sich selbst. Aus der damaligen verbreiteten Grundhaltung im jüdischen Volk müssen auch wir unsere Lehren ziehen. Wir können nämlich bei Gott auch nach dem Empfang von Gnade keine weiteren Ansprüche anmelden. Dies entspricht einfach nicht der Haltung des Glaubens. Ja, Gott schenkt denen, die an Jesus glauben, Heilsgewissheit. Aber das ist etwas anderes als dass ich vor Gott trete und Forderungen nach Gnade stelle.